Reisebericht und Fotogalerie Rumänien 2010
Rumänische Impressionen
Kurz hinter Passau beginnt der Regen und begleitet uns in dichter Gischt bis nach Frankfurt. Dazu blinkt die Spannungswarnleuchte und signalisiert irgendeinen elektrischen Fehler im Bordsystem. Es ist saukalt, wir sind nass und durchgefroren. Während ich mich ohne Licht hinter einen holländischen Camper hänge, kreisen meine Gedanken jedoch um ein anderes Detail: „Hauptsache die Batterie hält bis Zuhause“.
Rückblick: Drei Wochen zuvor sind wir bei bestem Spätsommerwetter aus Frankfurt aufgebrochen, um in Rumänien Waldwege und Trails unter die Stollen zu nehmen. Die erste Pause legen wir am Rennsteig im Harz ein, wir wollen langsam unterwegs sein, nicht dem Klischee des Rasers folgen, der Weg ist das Ziel. Zuerst geht es also zum Kaffee nach Prag, wir genießen den sonnigen Trubel unterhalb der Burg und tanken ein wenig Wärme für die Weiterfahrt nach Brno. Dort übernachten wir im schummerigen Gewölbekeller der urigen Penzion na Starém Brně, dem ehemaligen Kloster in Brno. Die Landstraßen leiten uns weiter quer durch die Slowakei bis nach Košice, der zweitgrößten Stadt des Landes. Dort bietet uns der Pensionswirt an, die Motorräder abends im Innenhof des Restaurants abzustellen: „…auf der Straße sind sie nicht unbedingt sicher“. Wir sind irritiert, aber auch erfreut über die Möglichkeit und nehmen das Angebot gerne an. Nach einer kräftigen Mahlzeit spazieren wir durch die denkmalgeschützte Innenstadt und staunen über die z.T. sehr gut erhaltenen historischen Bauten. Tags darauf entscheiden wir uns spontan zu einem Abstecher in die Ukraine. Nachdem wie mehrere uns völlig unbekannte Dokumente in kyrillischer Sprache ausgefüllt haben, holpern wir hinter qualmenden Schwerlastwagen her, sind verwirrt durch völlig unbekannte Verkehrszeichen. Die schwierige Suche nach einer Tankstelle erweist sich beim dritten Anlauf als erfolgreich, wir schnaufen erleichtert durch, unsere EC-Karten werden akzeptiert. Außerhalb der Stadt säumen dann riesige halbfertig gestellte Prachtvillen im neoklassizistisch-kitschigem Stil mit Türmchen und Erkerchen über mehrere Kilometer unseren Weg, oft im krassen Gegensatz zu den einfachen, ja ärmlichen Unterkünften auf der anderen Straßenseite. Die widersprüchlichen Bilder wecken unsere Neugierde, doch für heute heißt unser Ziel die Frontierei Romania. Ein kurzer Blick in unsere Zega-Aluboxen und schon werden wir freundlich durchgewunken. Rumänien here we are!
Rumänien here we are!
Gleich fällt mir die ernsthafte Warnung eines Kollegen ein „… niemals an Baustellen stehen bleiben … man ist sich seines Hab und Guts nicht mehr sicher!“ , nun, wir werden sehen. … . Der erste Kontakt mit den Locals erweist sich aber als überaus freundlich. Die Frage nach dem Campingplatz in Sarpanta entwickelt sich zu einem rumänisch-deutsch-englischen Kauderwelsch über gemeinsame Motorraderfahrungen, in dem die nötige Körpersprache sein übriges leistete. Auf dem Campingplatz Poieni werden wir schon von Ralf erwartet, ein norddeutscher AfricaTwinTreiber, mit dem wir uns über das AfricaTwinForum www.africatwin.de zu dieser Tour verabredet haben. Bisher haben wir nur einige Mails ausgetauscht, mal sehen, ob wir in den folgenden zwei Wochen miteinander zurechtkommen.
Der folgende Tag führt uns zu dem lustigen Friedhof in Săpânţa. Hunderte liebevoll gestaltete blaue Holzkreuze mit Bildern und Inschriften, die vom Leben der Verstorbenen berichten. Besonders beeindruckt sind wir vom Wilderer, der gerade vom Jäger verfolgt wird, der vergrämten Hausfrau am Herd oder einer junge Frau mit zwei lächelnden Herren;-).
Wir bleiben auf dem Campingplatz und brechen am nächsten Tag zu einer ersten gepäckfreien Tour auf. Die Straße führt uns schnell in die Wälder, wir folgen Waldwegen, lassen uns einfach treiben. Es geht in engen lehmigen Kehren immer bergauf, links und rechts liegen die abfuhrbereiten Baumstämme. Längst stehen wir in den Rasten, mit Kupplung und leichtem Gasstoß werden die Dickschiffe durch die tiefen Spuren voran getrieben. Mein Twin wird plötzlich heftig nach links gedrückt, ein kleiner Felsbrocken wollte sich am Motorschutz festkrallen, wird aber aus seinem schlammigen Bett gerissen. Die Wege werden zunehmend matschig, enger und steiler, hier beginnt die Welt der leichten Enduros. Wir kehren schließlich schweren Herzens um, 239 kg Africa-Twin-Leergewicht lassen sich mitten in den rumänischen Wäldern nicht so einfach verleugnen. Dennoch ein richtig guter erster Ausflug, der mit einem Bier und kräftigem rumänischem Essen seinen müden zufriedenen Abschluss findet.
Die Fahrt führt uns am nächsten Tag weiter über Viseu de Sus, wir besichtigen die dortige Forsteisenbahn und halten ein Schwätzchem mit dem Cafébetreiber, der uns zu einem Ausflug mit dem Bähnchen ins Valea Vaser – Wassertal einlädt. Vielleicht beim nächsten Besuch, jetzt gilt es noch, unser nächstes (holländisches!) Lager „Camping De Vuurplaats“ zu erreichen. In Fundu Moldovei sind wir mit Eugen, einem weiteren TwinTreiber verabredet, ab jetzt sind wir zu viert unterwegs.
Die nächste gepäckfeie Tour soll uns eigentlich zu den Klöstern bei Vatra Moldoviţei führen, die mit wunderschönen Außenfresken geschmückt sein sollen. Zwischendurch locken uns aber kleine Feld- und Waldwege, die von der asphaltierten Straße ins Gelände führen. Vielleicht finden wir auch eine Abkürzung quer über die Berge? Wieder folgen wir den Spuren, die die Trecker und Pferdegespanne in den Wiesen und Wäldern hinterlassen haben. Irgendwann enden die Wege auf Matten, die uns an Hochalmen in den Alpen erinnern. Wieder heißt es in den Rasten die Dickschiffe immer höher zu treiben, bis wir schließlich an einem Gipfelkreuz mit grandioser Aussicht eine Rast einlegen. Unter tiefblauem Himmel geht der Blick weit über sanft geschwungene Berge. Das muss das Paradies für Endurofahrer sein! Wir folgen den schmalen Wegen und verlieren uns bald in ausgedehnten Farnwäldern, bis der Weg einen steilen Abbruch nimmt. Lieber erst mal die Strecke zu Fuß zu erkunden. Abschüssig zieht sich der Weg bis in den Talgrund, eine Umkehr ist nicht mehr möglich. Eugen, der Scout, wagt sich als Erster. Birgit wird an den steilsten Stellen von Eugen und Ralph eskortiert. Mit Schweißperlen auf der Stirn rutschen und holpern wir schließlich alle einigermaßen gekonnt den Hang hinunter. Erleichtert klatschen wir uns ab, atmen tief durch und stillen unseren Durst. Doch was ist das? Während wir mit stollenbereiftem Stolz auf den bewältigten Parcours blicken, kommt ein rumänischer Rollerfahrer und degradiert unsere Heldentat, indem er mal eben den Hohlweg „todesmutig“ hochfährt, bzw. –schiebt. Wir sind entsetzt! Als Schmankerl bleibt meine Twin dann noch im Schlamm stecken und muss mit Seil geborgen werden. Nun ja, ich hätte ja auch nicht stehen bleiben müssen!
In den folgenden Tagen trennen wir uns zeitweise. Birgit und ich wollen die unberührte Natur spüren und wandern rund um die Bicas-Schlucht in den Ostkarpaten. Wir folgen dem Gâtul ladului , dem Höllenschlund durch lichtdurchflutete Wälder, queren grüne Almwiesen und steigen schließlich zu unserem Quartier beim Lacu Roșu, dem Roten See ab. Eugen und Ralf kämpfen sich unterdessen weiter durch rumänische Wiesen und Wälder, bleiben häufig mit den Motorrädern stecken und schaffen es gerade noch, vor der Dunkelheit wieder auf die Asphaltstraße und in die Pension zu kommen.
Die nächsten gemeinsamen Kilometer tragen uns über schmale, oft unbefestigte Landstraßen, durch kleine verschlafene Städtchen, vorbei an Pferdegespannen und Schwerlastwagen zu den Schlammvulkanen bei Berca. Wir staunen über diese einzigartige Landschaft mit „Miniatur-Vulkanen“ aus denen in regelmäßigen Abständen kalter flüssiger Schlamm an die Oberfläche gedrückt wird. Später dürfen wir neben einem Sporthotel unsere Zelte aufschlagen, augenzwinkernd verbunden mit der freundlichen Einladung, im Restaurant zu speisen.
Am folgenden Tag schlagen wir unser „Basislager“ wieder mal auf einem holländischen Campingplatz in Cârţa bei Sibiu auf (Camping de Oude Wilk). Die betagte Affentwin vom Eugen braucht dringend einen neuen Kettensatz und überhaupt auch ein wenig Pflege. Mit ein bißchen Improvisation und gutem Zureden läßt sie ihn dann doch noch weiter fahren.
Thomas, ein deutschstämmiger Siebenbürge zeigt uns später die ehemalige Zisterziensermönchsabtei, die mit dem noch erhaltenen Chor heute als Gotteshaus der evangelischen Ortsgemeinde dient. In einem Kauderwelsch aus deutsch-englisch-rumänischer Sprache erzählt er uns von der einstmals stolzen Geschichte. Heute leben nur noch wenige Kirchenmitglieder in Cârţa, viele zumeist jüngere Leute sind nach Deutschland ausgewandert. Als kleine Gegenleistung für die nette Führung versucht Eugen, mit seinem Bordwerkzeug Thomas´ betagte Simson Schwalbe wieder zum Laufen zu bringen. Leider vergeblich, selbst in Rumänien fährt eine Schwalbe nicht ohne die erforderlichen Ersatzteile.
Die nächste Tour soll ein reiner Genussausflug mit den Moppeds werden. Wir verabschieden uns für heute von Eugen und Ralph, die sich mal wieder etwas härter in den rumänischen Wäldern herumtreiben wollen. Natürlich hält es uns auch nicht lange auf der „gemütlichen“ Schotterpiste. Wir biegen in einen Feldweg ab, der uns zuerst leicht bergauf in die Hügel führt. Plötzlich wird es eng und steil, mit beherztem Gasstoß feuere ich die Twin auf das Plateau. Hinter mir schießt Birgit im Rodeostil aus dem Hohlweg, viel zu viel Gas, die Maschine geht hoch, kracht in die Fahrspur zurück, stellt sich steil auf. Birgit geht über den Lenker, die Maschine fällt zur Seite, alles eine Sache von wenigen Sekunden. Etwas benommen steht mein Cowgirl auf, hält sich die blutende Nase und hinkt zu ihrer Maschine. Der ist nicht viel passiert, lässt sich alles richten, aber Birgits Nase ist gebrochen oder zumindest geprellt, irgendwie pochen auch die linken Zehen recht unangenehm. Schließlich kann es aber dennoch weitergehen. Der Weg über die Hochebene lenkt den Blick auf die weiten Ebenen von Siebenbürgen. Etwas vorsichtiger als zuvor rollen wir auf Feldwegen, Wiesen und durch Wälder, jetzt kein Abenteuer mehr! Dennoch, unser Weg wird immer schmaler, eher ein Singletrail, der uns stetig bergab führt. Umkehren ist mit den Dickschiffen wahrscheinlich schwieriger als voran zu kommen. Im Talgrund gelangen wir auf Kuhtrails in tiefes schlammiges Gelände. Ich versuche konzentriert das Gleichgewicht zu halten und dosiert mit leichten Gas voran zu kommen. Birgit schiebt mit äußerster Mühe und wird vom hochgeschleuderten Schlamm der durchdrehenden Reifen völlig verdreckt. Es ist ein kräftezehrendes Ziehen und Zerren, die schweren Maschinen durch den Matsch auf trockenes Gelände zu fahren. Völlig ausgepumpt klatschen wir uns mal wieder ab. Wie war das, wir wollten einen Genussausflug machen?
Der nächste Tag ist aber wirklich ein echter Ruhetag. Spät frühstücken, Birgits Fuß behandeln, bei Eugens Twin die Bremsbeläge wechseln, die nassen Klamotten am Feuer trocknen, Wein trinken, die Geschichten einander erzählen. Dann heißt es auch schon, von Eugen und seiner betagten Affentwin Abschied zu nehmen. Der in Sibiu bestellte und dringend benötigte Kettensatz ist noch nicht geliefert. Eugen wird zu einer Zwangspause verurteilt und tritt später die Heimreise an. Der Rest der Gruppe fährt weiter Richtung Westen; wir wollen die Südkarpaten noch einmal per pedes erwandern. Wie gut, dass wir nach langem Überlegen doch noch die Wanderschuhe eingepackt haben. Von unserer Pension aus geht es zu Fuß durch wunderschöne Wälder hinauf in die Munţii Parâng, das Parang-Gebirge. Dunkle Gehölze wechseln mit lebhaften Wildbächen und sonnigen Lichtungen. Auf unserem Pfad entdecken wir warme bläulich schimmernde Losung. Die schiere Größe und die Farbe deuten auf einen zeitnahen Besuch von Meister Petz hin. Plötzlich wird der Wanderausflug zu einem spannenden Abenteuer. Wir folgen dem Weg nun langsamer, machen auffällige Geräusche und versuchen, frühzeitig auf uns aufmerksam zu machen. Schließlich verlassen wir das unübersichtliche Wald- und Farngelände und steigen an einem Bachlauf bergan bis in baumlose alpine Höhen. Ein wunderschöner Blick auf die umliegenden Gebirge belohnt unsere Mühe. Später wird es (natürlich) noch einmal spannend. Wir verlieren in der abendlichen Dämmerung mitten in den dichten Farnwäldern unseren Weg und finden nur mit GPS querbeet zu unserer Pension. Dann heißt es auch von Ralph Abschied nehmen, zwei wunderbare Wochen haben uns zusammengeschweißt.
Die Rückfahrt führt uns in einem Rutsch durch Ungarn und Österreich bis nach Passau. Am nächsten Morgen verheißen tiefliegende Wolken eine feuchte Heimfahrt. Und dann fängt die Spannungskontrolle mitten im Regen fröhlich zu blinken an. Die Regenkombi ist anscheinend doch nicht dicht, es ist saukalt …. aber es war eine richtig klasse Tour!
Camping Săpânţa: http://www.camping-poieni.ro/en/poieni.html
Camping Fundu Moldovei : Camping De Vuurplaats http://www.vuurplaats.eu/
Camping Cârţa : Camping De Oudewilg http://www.campingdeoudewilg.nl/
Pension in Brno: http://www.pension-brno.com/ge/
Pension in Košice: http://penzionslovakia.sk/kontakt-de.html
Rumänien-Infos: http://www.rumaenien-info.at/de/unterkuenfte/camping
Africa-Twin-Forum: www.africatwin.de